Dreiecksmuster der Marmorkegelschnecke

Rembrandt

De schelp, Rembrandt, 1650

1650 versuchte sich Rembrandt an der Darstellung der Schale der Marmorkegelschnecke (Conus marmoreus). Vergleiche mit Originalen und das Modell zur Simulation des Musters zeigen, dass seine Wiedergabe nicht naturgetreu ausfiel.











Variabilität des Schalenmusters von Conus marmoreus

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Modellierung

Im Modell für die Simulation des Schalenmusters von Conus marmoreus wird das Zusammenwirken zweier Systeme betrachtet. Beteiligt sind ein Pigmentsystem (PS) und ein Löschsystem (LS). Der Wortteil System deutet an, dass es sich nicht um einzelne Substanzen handelt, sondern jeweils um mehrere, die zusammen wirken. Speziell sind es hier je zwei Substanzen einer Aktivator-Substrat-Reaktion: Der Aktivator benötigt ein Substrat quasi als Nahrung, als Verbrauchsgut, um seine Wirkung entfalten zu können. Der Aktivator a des Pigmentsystems bildet die Farbpigmente. Der Aktivator e des Löschsystems hingegen zerstört den Aktivator a des Pigmentsystems. Eine Rückkopplung zwischen beiden Systemen besteht dadurch, dass angenommen wird, dass der Aktivator a die Produktion des Substrates f des Löschsystems fördert - a speist also die Nahrungsquelle seines direkten Feindes e.


Die mathematische Formulierung

Das System partieller Differentialgleichungen für das Zusammenwirken eines Pigment- und eines Löschsystems lautet wie folgt:

Die beschriebene Wirkung der Systeme aufeinander erkennt man an zwei Termen: In der Gleichung für den Aktivator a beschreibt der Ausdruck -ceea die Löschwirkung von e (ce ist die Abbaurate). Die Produktion des Substrates f wird andererseits positiv durch die vorhandene Menge an Pigmentaktivator beeinflusst, was der Term bfa in der letzten Gleichung zum Ausdruck bringt.


Mustersimulation und Wirkung der Parameter

Um eine reine Zweifarbigkeit des Bildes zu erlangen, empfiehlt sich für die Umsetzung ins Muster die Schwellenwert-Version.
Die Voreinstellungen der Parameter beim Aufruf der Mustersimulation im Applet sind die folgenden:

Grundproduktion Zerfallsrate Diffusionskonstante Sättigungskoeffizient
Aktivator PS 0 0.01 0.005 0.05
Substrat PS 0.1 0 0 0
Aktivator LS 0.013 0.1 0.3 0.05
Substrat LS 0.01 0 0.3

Führt man eine Simulation mit diesen Parametern durch, so sieht man ein Muster, das sehr gut dem Ideal des Dreiecksmusters entspricht und etwa so auf Bild 2 bei den Abbildungen zur Mustervariabilität zu finden ist.
Wenn das Zustandekommen des Dreiecksmusters aus dem Ringen des Pigment- mit dem Löschsystem verstanden ist, so lässt sich auch die Wirkung einzelner Parameter leicht erahnen, wenn man ihren Einfluss in den Gleichungen erkennt. Deshalb sollen jetzt die Beziehungen zwischen dem verbal formulierten Modell, den Gleichungen und dem Muster ein wenig genauer betrachtet werden.
Wenige in der Anfangssituation pigmentaktive Bereiche stecken ihre Umgebung an. Die Pigmentaktivierung breitet sich langsam aus, fördert aber zugleich die Aktivierung des Löschsystems, das sich viel schneller ausbreitet (große Diffusionskonstanten). In den Randregionen der sich rasch verbreitenden Löschreaktion können jedoch (zumindest zunächst) kleine pigmentaktive Bereiche überleben, die sich vom Zentrum der Löschaktivitäten wegbewegen. Die überlebenden Bereiche wiederum sind in der Lage, ihre Umgebung anzustecken, was zur erneuten Ausbreitung der Pigmentaktivierung führt.
Abbildung 1
Das Muster erscheint wie weiße Dreiecke auf schwarzem Grund, die pigmentierten Bereiche sind jedoch die schwarzen. Die Anfangssituation für die Simulation ist so gewählt, dass an wenigen Stellen das Pigmentsystem aktiv ist. Ansonsten findet man ganz geringe Aktivatormengen und einen großen Vorrat an Substrat (gute Voraussetzungen für das Pigmentsystem, um sich auszubreiten). Das Löschsystem hingegen ist in der Anfangssituation überall nahezu abgeschaltet. Der im Abschnitt zuvor skizzierte Ablauf kann initiiert werden.
Die (leicht konvexe) Basis der weißen Dreiecke ist demnach als Wirkung des Löschsystems zu interpretieren (vgl. Abbildung 1). Ein Absenken der Diffusionskonstanten des Löschsystems führt zu einer langsameren Verbreitung desselben. Die Basislinien der weißen Dreiecke werden runder.
Abbildung 2
Die Dreieckstruktur kommt dadurch zustande, dass sich das Pigmentsystem von den Ecken der Basis her - das sind die Bereiche, in denen das Pigmentsystem überlebt hat - erneut ausdehnt. Die Konvexität der beiden zur Wachstumskante nicht parallelen Dreiecksseiten ist auf den (bei geringen Aktivatorkonzentrationen) annähernd quadratischen Anstieg der Autokatalyse zurückzuführen (der Wert von a geht quadratisch in die Autokatalyse ein). Diese ist jedoch gesättigt: Mit größer werdendem a strebt der Ausdruck gegen den festen Wert (= linearer Anstieg) 1/sa. Das geschieht um so schneller, je größer der Wert des Sättigungskoeffizienten sa ist. Ein Vergrößern dieses Parameters führt demnach zu einem schnelleren Übergang zum Grenzfall der linearen Autokatalyse - die Dreiecksseiten rechts und links sind weniger gekrümmt. Ein Verringern des Wertes führt umgekehrt zu einer stärkeren Krümmung dieser Seiten (vgl. Abbildung 2).
Senkt man die Grundproduktion an Substrat des Pigmentsystems verlangsamt das dieses System: die weißen Dreiecke werden aufgeblasen. Eine Schwächung des Löschsystems hingegen - am einfachsten geschieht das durch Erhöhen der Zerfallsrate des Substrats bf - lässt das Muster erst verschwimmen und schließlich verschwinden.

Kann man die weiter oben gezeigten vielfältigen Variationen allesamt mit diesem Modell nachahmen? Wenn es nicht gelingt, was sagt das dann über das Modell aus? Alle Parameter lassen sich (hier) nur in einem bestimmten Bereich verändern, manche Änderungen scheinen kaum Auswirkungen zu haben. Aber Vorsicht: Ein und dieselbe Werteänderung kann völlig anders wirken, je nachdem welche Werte die übrigen 14(!) Parameter gerade einnehmen. Hier bleibt jedenfalls viel Platz zum Ausprobieren.
Die folgenden Beschreibungen beziehen sich auf die Veränderung nur des jeweils genannten Parameters aus der Grundeinstellung heraus:

Zur Anzeige des Conus-Musters wurde oben die Schwellenwert-Version empfohlen. Dann lassen sich die schwarzen bzw. weißen Bereiche durch eine Änderung des Schwellenwertes ausdehnen.

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